VOM PILGRIMSTEIN ZUM BIEGEN – MARBURGS NEUE MITTE

Der Pilgrimstein lag einst vor den Toren der Stadt. An diesem Ort siedelt sich im 13. Jahrhundert der Deutschritterorden an. Die kriegerischen Mönche widmen sich der Krankenpflege ebenso wie dem Kreuzzug. In Marburg errichten sie auf dem Witwengut der Heiligen Elisabeth eine Kirche, zu der bis heute Menschen aus aller Welt pilgern. Nah bei diesem Gotteshaus lassen sich entlang der Lahn Bleicher, Seiler, Gerber und Tuchmacher nieder, denn sie brauchen für ihr Handwerk Wasser. Ab dem 16. Jahrhundert entstehen am Fluss auch Bade- und Brauhäuser. Sie prägen das Viertel ebenso wie die Universität mit Kliniken, Instituten und dem Botanischen Garten. Ab den 1990er Jahren erhält das Quartier vom Pilgrimstein bis zum Biegeneck ein neues Gesicht: Teilweise gegen den Widerstand der Bevölkerung baut das Stadtplanungsprogramm „Neue Mitte“ den Bezirk um.

BRAUEREI BOPP

Johann Söltzer baut 1663 sein „MarpurgerGrossesBrauhauss“ am Fuße des Schlossbergs, die bedeutendste Marburger Brauerei. Der Betrieb wird über Generationen vererbt und gelangt so in den Besitz von Carl Bopp. 1892 baut er die „Marburger Brauerei“ am Pilgrimstein. „Bopp’s Terrassen“ in der Reitgasse sind ein beliebtes Ausflugsziel. Bis 1951 ist die Familie Bopp Alleinbesitzerin der Brauerei. In den 1950er Jahren wird der fränkische Bierbrauer Otto Beyer Teilhaber, später Besitzer. Ab 1994 führt Klaus Rauh die private Familienbrauerei weiter, doch 2004 wird sie geschlossen. Sie verfällt und wird 2009 abgerissen. Industriekultur in Marburgs Mitte geht verloren – und wird teilweise bewahrt: Das Kesselhaus und die Mälzerei der Brauerei beherbergen heute die Kulturstätte „Q“.

BIEGEN-ECK

Zwischen Pilgrimstein und Biegenstraße befindet sich bis in die 1980er Jahre ein Kleinviertel mit einer Zentrifugenfabrik, Gewerbebetrieben und Wohnhäusern – das sogenannte Biegeneck. Durch die Stilllegung der Fabrik und des Schlachthofs entstehen Leerräume, in denen sich Kunstwerkstätten, Musikund Theatergruppen ansiedeln. Die Stadt Marburg und Oberbürgermeister Hanno Drechsler betrachten das als städtebaulichen Missstand und planen den Abriss der alten Gebäude. An ihrer Stelle soll ein Hotel gebaut werden. Dagegen regt sich Widerstand: Die „Biegeneckinitiative“ kämpft für den Wohn- und Kulturraum und entwickelt ein eigenes Sanierungsmodell. Es folgen Demonstrationen und Hausbesetzungen – das Biegeneck wird zum Schauplatz erbitterter Auseinandersetzungen. Doch die Stadt hält an ihren Plänen fest. Nach dem Abriss der letzten Gebäude im Januar 1993 entsteht der Neubaukomplex. Heute ist das einstige Biegeneck wieder ein kulturell reges Quartier.

BIERKISTEN

Kurz vor der Schließung der Marburger Brauerei bekam man für diese Bierkiste kein Pfand mehr. So wurde sie stattdessen zum Erinnerungsstück. Die genagelte Holzkiste im Retro-Design bot Platz für zwölf Flaschen „Marburger Kräusen-Pils naturtrüb“. Die erhaltenen neun Flaschen zeigen das Original-Etikett.

Leihgeber: Hartmut Möller

DIENSTJACKE

Bei einem Ausverkauf in der Lagerhalle der Marburger Brauerei wurde auch diese Dienstjacke verkauft. Die Brauereifahrer trugen die blaue Arbeitskluft beim Ausliefern des heimischen Bieres. Das Emblem auf der Brusttasche zeigt zwischen stilisierten Gerstenähren das Marburger Stadtwappen.

Leihgeber: Hartmut Möller

BIERFLASCHE

„Marburger Landgrafen Pils“ aus dem traditionsreichen Brauhaus am Pilgrimstein: Diese Bierflasche aus dem Jahr 1996 ist original versiegelt, allerdings ohne Inhalt – offensichtlich eine Fehlabfüllung. Sie wurde als Zeitzeugnis der Marburger Stadtgeschichte aufbewahrt.

Leihgeber: Kurt Schleicher

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Kurt Schleicher - Über das „Marburger Landgrafen Pils“
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VHS-C-KASSETTE MIT ADAPTER-KASSETTE

Bedeutende Momente der Stadtgeschichte sind auf dieser VHS-Cassette festgehalten: Vom ehemaligen Schlachthof aus hat der Filmer mit seiner Videokamera den umstrittenen Abriss des Biegenecks gefilmt. Die handbeschriftete VHS-C-Kassette - hier mit Adapter - zeigt die letzten Abbrucharbeiten im Januar 1993.

Leihgeber: Jürgen Vollmer

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Jürgen Vollmer - über die Filmaufnahmen am Biegeneck
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BIERSEIDEL

Dieser Bierhumpen mit der Aufschrift „Bopp-Bräu“ ist für die Leihgeberin „ein Stück Marburger Geschichte.“ Ihr Schulweg führte sie täglich entlang der Brauerei-Mauer am Pilgrimstein. Der charakteristische Maische-Geruch ist ihr bis heute lebhaft in Erinnerung.

Leihgeberin: Renate Buchenauer