Bachelorzeugnis und Diplom, Magister- oder Promotionsurkunde - wer in Marburg ein Studium mit dem Examen abgeschlossen hat, findet das große Universitätssiegel auf diesen Dokumenten. Im Gegensatz zu den Siegeln älterer Universitäten ist auf diesem kein Heiliger abgebildet, sondern der Gründer der Marburger Universität, Philipp der Großmütige.
Philipp übernahm 1518 die Regierung der Landgrafschaft Hessen. Er
unterstützte Martin Luther und führte in Hessen die evangelische
Religion ein. Im Dezember 1526 stellte er ein umfassendes
Bildungsprogramm vor. In ganz Hessen wurden Elementarschulen
gegründet, in denen Mädchen und Jungen Lesen, Schreiben und Rechnen
lernen sollten.
Und Philipp gründete die nach ihm benannte älteste noch heute
bestehende protestantische Universität. Universitäten waren noch im
Spätmittelalter Bildungsstätten für Gelehrte. In einem Zeitalter,
in dem Politik, Wirtschaft und Völkerecht immer komplexer wurden,
brauchte man aber gute Verwaltungsbeamte, Räte, Juristen und
Pfarrer. Damit wurde die Universität ein Ort, der für diese Berufe
ausbilden sollte. Marburg eignete sich als Standort der neuen
hessischen Universität nicht nur wegen seiner Lage in der Mitte des
Lands. In Marburg war das Hofgericht, wo auch Juristen arbeiteten.
Außerdem konnte man nach der Auflösung der Mönchsorden die
Klostergebäude nutzen.
Am 30. Mai 1527 wurden die ersten Studenten immatrikuliert. Aber erst
am 1. Juli 1527 wurde die Universität feierlich eingeweiht. Solange
dauerten offenbar die Umbauarbeiten im ehemaligen Dominikanerkloster.
Die Studenten lernten nicht nur gemeinsam, sie wohnten auch in den
Räumlichkeiten an der Reitgasse – und ab 1528 auch im ehemaligen
Franziskanerkloster am Plan. In ihren Kollegien wurden die Studenten
abends um 19 Uhr – im Sommer um 20 Uhr - eingeschlossen, um
frühmorgens gut ausgeruht ihre ersten Vorlesungen zu hören. Doch
sie fanden rasch Wege, das zu umgehen: Es gab in der Stadt
Schlägereien, Saufgelage und sogar Vergewaltigungen. Studentische
Randalierer wurden aber nicht vom Stadtgericht, sondern nur vom
Rektor abgeurteilt.
1531 machten die ersten Studenten in Marburg ihr Examen. Anerkannt waren diese Abschlüsse aber zunächst nicht im ganzen Reich, sondern nur in protestantischen Ländern. Der katholische Kaiser weigerte sich, das nötige kaiserliche Privileg auszustellen. Das geschah erst 1542. Heute kommen jährlich bis zu 8000 junge Leute nach Marburg, um ein Studium zu beginnen. Und die es beenden, haben irgendwo ein Dokument, auf dem das große Universitätssiegel mit dem Porträt von Landgraf Philipp zu sehen ist.
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