1786 wurde beim Abbruch eines seit langem nicht mehr als Krankenhauskapelle genutzten Gebäudes ein mittelalterliches Reliquiar geborgen. Es gehörte zu einem 500 Jahre zuvor geweihten Altar. Das Behältnis in Form eines kleinen Hauses aus Zinn soll Knochenreste und eine Haarlocke enthalten haben. Möglicherweise handelt es sich um ein Reliquiar, welches sich zuvor in der Franziskuskapelle des von Elisabeth 1228 gegründeten Hospitals befand.
Reliquiare gehörten wie liturgische Geräte und heilige Schriften zur Grundausstattung von kirchlich genutzten Räumen, in denen die Messe gelesen wurde. Ohne die Reliquie eines Heiligen konnte kein Altar geweiht werden. Als materielle Überbleibsel der Glaubenszeugen galten sie als direkte Verbindung zu den Heiligen. Ihre Verehrung war oft von der Hoffnung auf Wunder begleitet, beispielsweise die Heilung von Krankheiten. Im Jahr der ersten Marburger Hospitalgründung fand in Rom am 16. 7. 1228 die Heiligsprechung von Franz von Assisi statt. Höchstwahrscheinlich war es Elisabeth selbst, die sich im Hinblick auf die Weihe ihrer Hospitalkapelle für den zwei Jahre zuvor verstorbenen Franz als Schutzpatron entschieden hatte, dessen radikale Nachfolge Jesu sie überzeugte. Und wahrscheinlich nutzten ihre hochadelige Herkunft und entsprechende Beziehungen dabei, dass dieser Wunsch durch die Beschaffung einer Reliquie gelang. So kam es zur wohl ersten Weihe eines Altars auf den Heiligen Franziskus nördlich der Alpen. (CO)
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