Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“, so der Philosoph George Santayana. Gedenken bedeutet, in kritischen Dialog mit der eigenen Geschichte zu treten. Das tut Marburg, indem es sich seiner kolonialistischen Vergangenheit stellt. Die Aufarbeitung entzündet sich 2011 an der Diskussion um die Verlegung eines historischen Kriegsdenkmals in Bortshausen. Es erinnert an das Bataillon der Marburger Jäger. Diese beteiligten sich als Freiwillige an Kolonialkriegen - unter anderem an der Niederwerfung des Boxeraufstandes in China und dem Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia. Bestärkt von der Aktivistin Olga Kamoruao fasst das Marburger Stadtparlament am 16. Dezember 2016 den Beschluss, eine Gedenkinstallation für die Opfer der Marburger Jäger im Schülerpark zu errichten. Der Künstler Heiko Hünnerkopf stellt einem Kriegerdenkmal für die Marburger Jäger von 1923 seine Arbeit „Verblendung“ entgegen. Sie stört den Blick auf das Denkmal mithilfe von Stahlstäben in zwei Halbkreisen. Zugleich informiert sie über die Kriegsverbrechen auf kleinen eingelassenen Tafeln.
Die
Völker der Herero und Nama siedeln seit dem 17. Jahrhundert im
Gebiet des heutigen Namibia. Mit Errichtung der Kolonie
„Deutsch-Südwestafrika“ werden die einheimischen Völker ab 1884
entrechtet und ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Die Herero beginnen
1904, sich mit Angriffen auf koloniale Einrichtungen zu wehren. Dem
Aufstand begegnen die Kolonialherren mit einem Vernichtungskrieg, der
in der Vertreibung der Herero in die Omaheke-Wüste gipfeln. Ein
Großteil der Menschen verdurstet, Fliehende werden erschossen. Die
wenigen Überlebenden werden zusammen mit den ebenfalls
aufständischen Nama in Konzentrationslagern eingesperrt. Der
Vernichtungskrieg wird heute mehrheitlich als
Völkermord eingestuft.
Diese vermutlich handgefertigte Puppe hat der Marburger Jäger Martin Preis im Juli 1905 als Andenken aus Namibia mitgebracht. Er hatte dort am Kolonialkrieg gegen die Nama und Herero teilgenommen und schied wegen Krankheit aus dem Militärdienst aus.
Leihgeber: Eva und Joachim Teetz
Der
Expansionsdrang der Großmächte richtet sich Ende des 19.
Jahrhunderts auch nach Ostasien. Die Einflussnahme auf die
chinesische Wirtschaft stürzt das Land in große Armut. Aus den
Missständen heraus formiert sich die Bewegung der „Fäuste der
Gerechtigkeit und Harmonie“. Die Fremdbezeichnung „Boxer“ geht
auf ihre Kampfausbildung zurück. Was 1899 als blutiger Aufstand
beginnt, findet Unterstützung durch die kaiserliche Regierung und
führt zur Kriegserklärung Chinas gegen England, Frankreich,
Russland, Japan, Österreich, Italien, die USA und das Deutsche
Reich. Der Widerstand wird innerhalb weniger Monate zerschlagen. Die
Friedensregelungen machen China vollkommen abhängig und damit zu
einer Halbkolonie.
Die chinesischen Porzellanfiguren stammen aus dem Nachlass von Hermann Schimpf. Er gehörte als Marburger Jäger zu den deutschen Kolonialtruppen, die nach dem Boxeraufstand in China im Jahr 1901 Strafexpeditionen gegen die Aufständischen unternahmen.
Leihgeber: Hartmut Möller